Man würde schon gerne wissen, was genau passiert, wenn Carmen Elle die Bühne betritt. Eben noch war sie eine zierliche junge Frau in einem viel zu großen T-Shirt und mit einem entwaffnenden Lächeln.

Jetzt spielt sie mit ihrem Publikum, inszeniert die Musik ihrer Band, lässt ihre Stimme über Oktaven springen, erzeugt Lärm mit ihrer Gitarre.

Vergleichbar ist diese unmittelbare Präsenz mit ST. VINCENT oder JOAN AS POLICE WOMAN, und es findet sich immer einen, der sagt: ,This woman will be a star." Die Frau heißt Carmen Elle, ihre Band DIANA.

Gegründet wurde sie zunächst von Saxofonist und Keyboarder Joseph Shabason und Drummer Kieran Adams in Toronto.

Beide hatten von Beginn an ein klares Klangbild im Kopf: ,Wir haben festgestellt, wie stark die emotionale Bindung zur Musik ist, die unsere Eltern gehört haben und mit der wir aufgewachsen sind", erklärt Joseph Shabason und zählt auf: FLEETWOOD MAC und STEELY DAN, SADE und 10CC.

,Klar", fügt er hinzu, ,als Teenager hat man sich von diesen Sachen abgewendet. Hat Indierock und Punk gehört." Aber irgendwann kehrte diese Musik zurück ins Bewusstsein, wie die Erinnerungen an fantastische Sommerferien, in denen noch alles einfach und gut war.

,Warum also nicht diese Musik neu interpretieren?", fragt Joseph Shabason, der von einem kanadischen Landsmann lernte, wie gut es funktionieren kann, den Indierock soft zu spielen: Der Multi-Instrumentalist ist Saxofonist bei Dan Bejars DESTROYER und war entscheidend am einzigartigen Sound des herausragenden Albums ,Kaputt" beteiligt.

Erste DIANA-Demos entstanden zu zweit, dann stieß Carmen Elle hinzu, die auch beim Indierock-Duo ARMY GIRLS singt.

,Sofort wandelte sich DIANA von einer Idee zu einer festen Band", erinnert sich Joseh Shabason.

Carmen Elle nahm sich die Songs zu Herzen, hauchte ihnen neues Leben ein, führte sie auf eine höhere Ebene.

,Was ich auf den Demos hörte, setzte bei mir sofort Assoziationen in Gang", sagt sie. ,Ich brauchte keinen langen Anlauf, um mich in dieser Musik heimisch zu fühlen." Man hört diesem wunderbaren Debütalbum an, dass die Band die Orientierungsphase locker überspringen konnte.

Es gibt eine klare Klang-Ästhetik: Elegante Bässe und Rhythmen, hallgetränkte Gitarren, mal flächige, mal verspielte Keyboards.

Der Effekt von Musik dieser Art ist betörend, wenn sie gut gemacht ist - und da darf man sich bei DIANA sehr sicher sein.

Der Auftakt ,Foreign Installation" atmet den Geist von High-End 80s-Pop wie JAPAN ihn spielten, bevor ein Gitarrensolo, wie Lindsey Buckingham von FLEETWOOD MAC es liebt, dem Song eine neue Richtung gibt.

,Born Again" beginnt blubbernd, bevor ein fantastischer Refrain den Song über die Wolken hebt.

,Perpetual Surrender" ist pure Eleganz, wie man sie bei ROXY MUSIC zu ,Avalon"-Zeiten genießen konnte: Shabason gibt ein formvollendetes Saxofon-Solo, Carmen Elle verspricht ganz nah am Ohr des Hörers ewige Hingabe, der butterweiche Basslauf geht einem nicht mehr aus dem Kopf.

Gespielt wird dieser bei den Konzerten zur Platte übrigens vom neuen und vierten Bandmitglied: Paul Matthew, Multi-Instrumentalist bei den HIDDEN CAMERAS.

Er sagt: ,Es war für mich von der ersten Probe an wunderbar, ein Teil dieser Klangwelt zu sein.

Sie ist klar definiert und lässt trotzdem Platz für individuelle Vorlieben." Und so wird ,Perpetual Surrender", das Album, von DIANA, der Band, zur perfekten Spätsommerplatte für Sound-Ästheten und Träumer, Indie-Kenner und 80s-Nostalgiker, Softrockfreunde und Pop-Liebhaber.

- André Bosse -